Beide. Formaler Träger der Ausbildung ist der Handwerksbetrieb, dort bewerben sich die angehenden Lehrlinge. Werden sie angenommen, erhalten sie einen speziellen
Arbeitsvertrag, den Ausbildungsvertrag, in dem alle Details festgelegt sind. Der Betrieb zahlt die Ausbildungsvergütung. Im Betrieb wird der praktische Teil erlernt, üblicherweise durch Eingliederung
der Auszubildenden in die Produktion.
Der Betrieb meldet die Azubis bei der Berufsschule an. Die vermittelt den theoretischen Teil. Daher der Name "duales Ausbildungssystem", also zweigleisige Ausbildung. In unserer Innung
Bonn/Rhein-Sieg sind es für die Tischler/Schreiner 1 oder 2 Schultage pro Woche, im halbjährlichen Wechsel. Der Betrieb muss die Auszubildenden für den Besuch der Schule freistellen.
Bis 2013 gab es für Tischler der Innung Bonn/Rhein-Sieg zwei Berufsschulen, eine in Hennef und eine in Bonn. Seit 2014 wird in Bonn kein Berufsschulunterricht für die neuen Tischler-Jahrgänge mehr angeboten: Alle müssen nach Hennef! Diese hochintelligente Lösung führt nicht etwa zu Einsparungen - nun müssen in Hennef zwei Tischlerklassen in jedem Jahr paralell betrieben werden. Aber es dürfen nun alle, Schüler wie Lehrer, aus dem linksrheinischen Innungsbezirk, also aus Bonn, Bornheim, Meckenheim und Rheinbach, zusehen, wie sie es schaffen, morgens um 7:30 h in Hennef zu sein. Fraglos ein durchdachtes Konzept, um unseren Ausbildungsberuf attraktiver zu machen, und um die Überlastung unserer Straßen zu reduzieren... neinnein, Scherz. In Wirklichkeit werden nun Azubis aus dem linksrheinischen Kreis und Bonn zunehmend in Köln oder Euskirchen zur Schule gemeldet. Und die Innung hier weint große Krokodilstränen, weil die Zahl der Azubis abnimmt...
Unsere Bürokaufleute gehen in Bonn-Duisdorf zur Schule.
Tischler: Die Schwerpunkt der Schule liegt logischerweise im theoretischen Unterricht. Aber nicht nur, es gibt auch Lehrwerkstätten dort. Lernst Du im Betrieb, wie und wo Fichte, Buche und Eiche zu besäumen sind, wie MDF- und Tischlerplatten aufzuteilen und das Sägeblatt richtig auf der Kreissäge zu rüsten ist, so lehrt die Schule, wie sich aus dem mikroskopischen Zellaufbau des Holzes die Eigenschaften herleiten, mit welchen DIN- und ISO-Bezeichnungen das Material fachübergreifend bezeichnet wird, wie eine Mengenberechnung durchgeführt wird etc.
Dabei muss die Schule auch noch den Spagat zwischen Prüfungs- und Berufsvorbereitung schaffen: Unsere Prüfungen laufen nämlich sehr mittelalterlich ab, haben mit der heutigen Praxis kaum noch zu tun. Es wird z.B. mit Bleistift und Tusche gezeichnet (im wirklichen Leben: CAD am Rechner), es werden Zinken und Zapfen von Hand gesägt (im wirklichen Leben Lamellos gefräst oder Dübel gebohrt) und so weiter. Ist alles sehr schön romantisch, den alten Meistern (und manchen jungen Träumern) geht regelmäßig das Herz auf, eine praxisnahe Prüfung sieht aber anders aus. Und: Vor allem diese altertümliche Prüfungsvorbereitung bleibt allein an der Schule hängen, denn, wie gesagt: Die Praxis im Betrieb sieht heut anders aus!
Bürokaufleute gehen ebenfalls ein oder zwei Tage pro Woche zur Schule, im halbjährlichen Wechsel. Das, was ich bisher aus deren Schulunterricht mitbekommen habe, ist zeitgemäß und nah an der beruflichen Wirklichkeit: Grundlagen der Buchführung, der Tabellenkalkulation und des Schriftverkehrs. Hier lerne auch ich tatsächlich manchmal noch Neues von meinen Auszubildenden, obwohl ich selber schon ganz gut am Puls der Zeit bin in Sachen IT und Office-Pogrammen: Die Schule und die ÜBL bilden für die Gegenwart und Zukunft aus, nicht in Techniken der Vergangenheit wie die Tischler. Wären die Bürokaufleute so rückständig wie die Tischler, würde in den ÜBLs das Schreiben mit dem Gänsekiel und Kalligraphie geübt...
Auszubildende sind schulpflichtig, sofern sie bei Beginn der Ausbildung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Schulpflicht bleibt bestehen, auch wenn während der Ausbildung das 21. Lebensjahr vollendet wird. Wer bei Lehrbeginn bereits 21 ist, kann wählen, ob er/sie an Schultagen zur Schule geht oder in den Betrieb. Natürlich kann nicht täglich neu gewählt werden: Wer sich für die Schule entscheidet, muss auch konsequent hingehn.
Wer nicht zur Schule geht, muss schon ziemlich fit sein, um nachher in allen Fächern die theoretischen Prüfungen zu bestehen. Es kommt praktisch nicht vor, dass ältere Lehrlinge nicht zur Schule gehen. Da mag aber auch eine Rolle spielen, dass man nur die Wahl hat: Schule oder Betrieb - nicht etwa Schule oder Frei!
ÜberBetrieblicheLehrgänge (neuerdings: ÜberBetriebliche
Unterweisung) sind ein Spezialfall der betrieblichen, also praktischen Ausbildung. Es sind Kurse von 1-4 Wochen Dauer, zu denen alle Lehrlinge eines Jahrgangs einmal im Jahr
einberufen werden. Hier werden Themen behandelt, die jeder Lehrling kennen muss, auch wenn sie vielleicht durch Spezialisierung des Ausbildungsbetriebes im Alltag nicht vorkommen. Hierzu zählt
für Tischler der sichere Umgang mit allen Maschinen (= Maschinenkurs), unterschiedliche Oberflächentechniken (= Oberflächenkurs), Handhabung
der alten, nicht elektrischen Werkzeuge (= Klötzchenkurs). Der Betrieb muss die Auszubildenden für den Besuch der Kurse freistellen. Sie finden in Siegburg oder Hennef statt.
Seit einiger Zeit wird zumindest in unserem Innungsbezirk der Maschinenkurs nicht mehr komplett im zweiten Jahr unterrichtet, sondern in drei Teilen über alle drei Jahre verteilt: Erstes Jahr
Klötzchenkurs und Teil 1 des Maschinenkurses, 2. Jahr Teil 2 des Maschinenkurses, 3. Jahr Oberflächenkurs und Teil 3 des Maschinenkurses.
Auch die Bürokaufleute werden zur ÜBL einberufen. Hier werden 6 Kurse von 5 Tagen über die Lehrzeit verteilt angeboten. Themen sind etwa Lohnbuchhaltung, allgemeine
Buchhaltung, kundenorientierte Geschäftsprozesse, Informationsverarbeitung, Auftragsorganisation
Für Tischler gibt es formal keine fachlichen Spezialisierungen. Natürlich ist jeder Betrieb anders, und Leute aus einer Möbelschreinerei sind anders ausgebildet als die aus einem Fensterbaubetrieb. Aber alle müssen exakt dieselbe Prüfung machen. Bei der Theorie ist das auch ganz sinnvoll, denn wer weiß, wohin es einen später mal verschlägt. Bei der Praxis ist es ohnehin wumpe, denn die praktische Prüfung "Handprobe" oder "Situationsaufgabe" hat mit unserem heutigen Beruf ohnehin nichts mehr zu tun. Der praktische Teil "Gesellenstück" darf frei gestaltet werden - ist folglich fast immer ein Möbel.
Anders bei den Bürokaufleuten: Sie müssen zu Beginn der Ausbildung aus 8-10 Wahlpflichtfächern zwei bestimmen, in denen sie bei den Prüfungen auch gesondert geprüft werden - und
in denen sie hoffentlich in der Ausbildung auch besonders geschult werden. Es gibt folgende Wahlpflichtfächer in der Freien Wirtschaft: Auftragssteuerung und -koordination, Kaufmännische
Steuerung und Kontrolle, Kaufmännische Abläufe in kleinen und mittleren Unternehmen, Einkauf und Logistik, Marketing und Vertrieb, Personalwirtschaft, Assistenz und
Sekretariat, Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement. Dazu noch zwei Wahlpflichtfächer für Azubis beim Öffentlichen Dienst.
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