Frauen im Tischlerhandwerk

Können auch Frauen Tischlerin/Schreinerin werden?

 

Natürlich können auch Frauen Schreinerin/Tischlerin werden. Wenngleich weiter unten steht, dass ein gewisses Maß an körperlicher Belastbarkeit vonnöten ist, so ist das doch in einem Rahmen, den eine gesunde Frau auch leisten kann: Bei mir haben bereits 23 Frauen ihre Ausbildung gemacht. Keine davon war eine Bärin. Allerdings: Wer den Wekzeugkoffer nur keuchend in den ersten Stock geschleppt kriegt, hat ein Problem, ob Frau oder Mann!

Frauen im Tischlerhandwerk brauchen aber, ehrlich gesagt, ein ziemlich dickes Fell. Alle Werbefotos der Handwerkskammer und ähnlicher Verbände zeigen zwar bevorzugt junge Frauen im Einsatz in Tischlerwerkstätten, die fröhlich schöne Möbel bauen. Alles Lüge: Der Frauenanteil im Tischlerhandwerk ist in Wirklichkeit nach wie vor niedrig, sehr niedrig sogar, siehe nächster Abschnitt.

 

Also sind Frauen auf Baustelle, in fremden Werkstätten, beim Einkauf im Fachhandel und beim Kunden Exoten. Und nach wie vor findet sich in einer Gruppe von mehr als zwei männlichen Handwerkern garantiert einer, der einen mehr oder weniger dummen Spruch loslässt. Immer.

Die alte Ausrede alter Meister, sie könnten keine Frau einstellen, weil sie dann eine zweite Toilette bauen müssten, stimmt so schon lang nicht: Diese Regelung mit getrennten Toiletten gab es vor vielen Jahrzehnten mal. Heute heißt es schlicht: "Sanitärräume müssen getrennt benutzbar sein" - Schloss an der Tür? Ok!

 

 

Wie hoch ist der Frauenanteil?

 

Der Frauenanteil in der Tischlerausbildung hat in NRW nach ewiger Stagnation um 8% im Jahr 2016 endlich die 10% überschritten, heute liegt er bei 12% (!), (Quelle: FV Tischler NRW, Zahlen + Fakten).

Der Frauenanteil in der Tischlerausbildung in unserer Innung Bonn/Rhein-Sieg erreicht üblicherweise keine 10%. Im Ausbildungsjahrgang 2018-2021 liegt er bei nicht mal 5% (3 Frauen unter 67 Azubis)

Der Frauenanteil in der Tischlerausbildung liegt in Deutschland bei 11% (Quelle: Tischler Schreiner Deutschland).

Der Frauenanteil bei den erfolgreichen Meisterprüfungen liegt in Deutschland bei 5% (Quelle: Tischler Schreiner Deutschland).

Über den Frauenanteil bei den aktiven Tischlern (ausgelernt) liegen mir keine Zahlen vor, er kann aber logischerweise kaum 10% erreichen.

 

Was wird aus den Frauen? Manch eine geht danach in eine weiterführende Ausbildung (Lehramt, Architektin, Meisterin), und manch eine hört auf.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Bereitschaft, Frauen auszubilden, auf dem Land gegen Null geht, in manchen Städten schon besser wird und in Großstädten durchaus nennenswert ist. In Köln soll die Quote bei den Auszubildenden bereits über einem Drittel liegen.

Die wenigen Frauen, die es im Tischlerhandwerk gibt, haben gelernt, sich zu vernetzen. Es gibt eine eigene Seite tischlerinnen.de, und ein jährliches bundesweites Tischlerinnentreffen. 

 

 

Was sollte ich als Frau besonders beachten?

 

Es ist fürchterlich kräftezehrend, als Frau in einem männerdominierten Beruf auf Lehrstellensuche zu gehen. Selbst die Jungs kassieren eine Absage nach der anderen. Also macht es Sinn, den Einsatz gezielt zu steuern. 

Finde raus, welche Betriebe überhaupt ausbilden, und welche davon bereit sind, Frauen einzustellen:
Meisterbetriebe gibt es wie Sand am Meer, wirklich. Doch unter den mehreren hundert im Bezirk Bonn + Rhein-Sieg-Kreis bilden praktisch nur Innungsbetriebe aus. In der Tischler-Innung Bonn/Rhein-Sieg wiederum mögen es immer noch etwa 150 Meisterbetriebe sein. Davon stellen in diesem Jahr jedoch gerade mal ein Drittel überhaupt einen Lehrling ein, und davon eben nur gerade 12% eine Frau. Also: 3 unter 50 Lehrlingen.

Es hat also keinen Zweck, sich Google vorzuknöpfen und alles, was Tischler oder Schreiner an Deinem Ort heißt, anzuschreiben. Effektiver ist es, gezielt die Betriebe rauszusuchen, die überhaupt bereit sind - die anderen kriegst Du eh nicht bekehrt. Oder wenn, dann nur mit noch mehr Kraft.

Wie findest Du raus, wer Frauen einstellt? 
Frag bei der Innungsgeschäftsstelle, vielleicht ist die ja bereit, eine Liste der Betriebe rauszugeben, die Frauen ausbilden.
Guck im Internet - so wie ich es bekannt mache, dass ich auch Frauen einstelle, machen es die meisten.
Warum nicht einfach mal an einem Vormittag in der großen Pause in die Berufsschule gehen und die paar Mädels fragen, die es schon geschafft haben? An jedem Wochentag (außer Mittwoch in der zweiten Jahreshälfte) hat einer der Tischler-Jahrgänge in Hennef Unterricht. 

Der Öffentliche Dienst darf bei seinen Stellenbesetzungen, insbesondere Ausbildungsstellen, Frauen nicht benachteiligen. Daher werden Lehrstellen in solchen Einrichtungen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt. Nicht viele davon bilden auch Schreiner/Tischler aus, aber ein paar: In Bonn sind es große Museen wie die Bundeskunsthalle oder das Museum König, dann die Wekstätten der großen Bühnen (Oper- und Theaterwerkstatt der Stadt Bonn), und große Krankenhäuser, etwa die Landesklinik Bonn des Landschaftsverband Rheinland (LVR). Das bedeutet übrigens: Die Quote unter den konventionellen Tischlereien ist noch schlechter als auf den ersten Blick, denn diese Öffentlichen Arbeitgeber verschönern mit ihren 1-2 Azubis die Statistik gleich enorm...

 

 

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© Stefan Hampel

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