Eine Seite zum Lachen und Weinen: Hier finden Sie Berichte aus dem Alltag eines Selbständigen, in der alltäglichen Auseinandersetzung mit dem Wahnsinn der Bürokratie. Kein Bereich meines täglichen Lebens ist dermaßen entfremdet dem gesunden Menschenverstand wie die Begenung mit den Bürokraten in Behörden, Verwaltungen, aber auch Schreibtischtätern in anderen Betrieben. Allen ist gemeinsam: Sie sehen die Verwaltung nicht mehr als Mittel zum Zweck (des täglichen Erwerbslebens), sondern als Selbstzweck. Und in diesem Sinne wird die Bürokratie nach besten Kräften und gegen jeden Sinn für Wirtschaftlichkeit ausgeweitet: Kein Bürokrat wird nämlich nach Leistung, also Produktivität, bezahlt, sondern nur nach Anwesenheit, und deren Notwendigkeit gilt es durch Vervielfältigung der Aufgaben zu rechtfertigen. Aber lesen Sie selbst:
30.8.2022
Heute, in meinem 62. Lebensjahr, erhalte ich die Baugenehmigung für die Aufstockung meines Wohnhauses - ein kleines Appartement von 55 qm als Alterssitz. Den Bauantrag gestellt hatte ich mit 60. Satte 22 Monate hat das Bauordnungsamt Bonn dafür gebraucht, mit immer wieder neuen Einwänden, Auflagen und Behauptungen, die es zu widerlegen galt. Seit ich den Bauantrag gestellt habe sind die Baukosten auf das Doppelte und die Bauzinsen auf das Dreifache gestiegen, ich musste einen mittleren vierstelligen Betrag an zusätzlichen Planungskosten investieren, Danke dafür. Ach, macht Euch nichts? Ist klar, ist ja nicht Euer Geld!
So bin ich heute der Meinung: Wer bauen will sollte einfach sauber planen und anfangen. Und zwar, ohne sich um eine Genehmigung zu kümmern - wozu? Hat man Glück, so wird die Maßnahme fertig, ohne dass man behelligt wird. Kommt dann nachträglich doch noch jemand auf den Gedanken, eine Baugenehmigung einzufordern, so kann man die auch nachträglich beantragen - dann mag es dauern, solange es will, es bremst wenigstens den Bau nicht aus. Auch ein Bußgeld würde ich eher in Kauf nehmen als diese unberechenbaren Kostensteigerungen durch die Verzögerungen des Bauamtes.
(Selbstverständlich ist der letzte Abschnitt rein satirisch gemeint und stellt keinen Aufruf zum Verstoß gegen geltendes Recht dar.)
Oktober 2021
Zum wiederholten Male schreibt uns - ziemlich ruppig - ein gewisser "Öffentlicher Auftraggeber" (eine Berufsgenossenschaft) an, um unsere Preise in Erfahrung zu bringen. Da die Zusammenarbeit mit der Öffentlichen Hand vor allem erhebliche Bürokratie bereits bei der Abgabe von Angeboten und erst recht bei (unwahrscheinlichen) Aufträgen mit sich bringt, hat ein erfolgreicher Handwerksbetrieb daran natürlich kein Interesse. Dass dieses Büro jedoch so hartnäckig ist, regelrecht fordernd auftritt, zeigt mir dreierlei:
1) Die Renitenz, der barsche Tonfall, zeugt vom üblichen Gefühl von "Ich will - der muss!!!" in den Hierarchien einer Behörde. Aber wieso sollte ich müssen, wieso auch nur wollen? Ich bin ein freier Mensch und kann mir aussuchen, wem ich beim Lösen seiner Probleme helfe. Meine Geschäftspartner suche ich mir u.a. danach aus, ob sie mir auf Augenhöhe begegnen.
2) Sie müssen sich "aus Wetttbewerbsgründen" regelmäßig nach neuen Handwerkern umsehen. Sie dürfen also keine bewährten Stamm-Handwerker beschäftigen. Dies Verfahren ist allerdings die beste Gewähr dafür, einerseits immer die preiswertesten zu finden - und unter denen qualitativ einen Durchschnitt. Das geben die Regeln der Statistik her. Wie mag wohl die durchschnittliche Qualität im untersten Preissegment sein? Wie hoch mag die Lebenserwartung (und damit die Sicherheit auf Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen) von Betrieben im untersten Preissegment sein? Logische Folge: Wer wundert sich noch über die hohe Quote an Fiaskos bei der Auftragsvergabe der Öffentlichen Hand?
3) Sie kriegen einfach niemanden und können sich nicht erklären, wieso.
August 2021
Die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe, der Wiederaufbau, fordert alle Beteiligten. Glück haben die, welche eine entsprechende Versicherung hatten. Aber gerade da trennt sich jetzt sehr klar die Spreu vom Weizen. Als Bauhandwerker bekommen wir mit, wie die Versicherer mit ihren Kunden, aber auch mit den Gewerken umgehen. Manchmal haben wir den Eindruck, hier wurde in der Not bei den Sachbearbeitern die dritte oder vierte Garnitur reaktiviert... ein Beispiel:
In der Woche nach dem Hochwasser: Anruf von Neukunden - am nächsten Tag bin ich draußen, nehme den Schaden auf, schreibe am Abend Angebot, raus per mail, es soll ja voran gehen! Angebot wird vom Kunden auch sofort an Versicherung weitergeleitet. Dann drei Wochen Funkstille. Schließlich ruft der Sachbearbeiter der Versicherung bei seinem Kunden an, der möge doch bitte den Schreiner anrufen und ihm sagen, er solle den Sachbearbeiter anrufen, denn: der Sachbearbeiter hätte da noch eine Frage! Ooookay, ich rufe den Menschen an, lande auf Anrufbeantworter. Schließlich kommt dann der Kontakt zustande, und seine einzige Frage ist die nach dem Angebotspreis - Hä??? Ich verstehe wirklich nicht - er liest mein Angebot vor, zitiert aber lediglich von Seite 2. Auf meinen Hinweis, dass es noch ein Blatt davor gäbe, welches "Seite 1" heißt, kommt allen Ernstes die Rückfrage: "Warum sagt mir das keiner?"
12.4.2021
Arbeitgeber sollen nun verpflichtet werden, für die Arbeitnehmer die Corona-Selbsttest zu beschaffen: "Das ist jetzt eine nationale Kraftanstrengung und da müssen alle mitmachen" (Olaf Scholz 12.4.2021 im Deutschlandfunk) - wie bigott muss man sein, diese Formulierung ("alle") zu gebrauchen und im selben Atemzug die Belastung nur auf die Arbeitgeber abzuwälzen?
DGB-Chef Reiner Hoffmann ist ebenfalls der Meinung, "die Wirtschaft" müsse nun stärker in die Verantwortung genommen werden - dass er sich nicht dazu zählen kann ist schon klar... aber zählt er die Arbeitnehmer nicht als größten und stärksten Bestandteil der Wirtschaft?
Für diese Herrschaften scheint es Arbeitsplätze nur zu geben, damit die fetten Unternehmer sich mästen können. Die Bezeichnungen Arbeitgeber/Arbeitnehmer umschreiben aber sehr klar: Arbeitgeber stellen den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Verfügung, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und das in einem sehr geschützten, behüteten Umfeld - wenn man es mit dem Verdienen des Lebensunterhaltes eines Freien, eines Selbständigen vergleicht. Gerade in diesen Zeiten ist die Fortführung der Firmen mit ihren Arbeitsplätzen für alle keine Selbstverständlichkeit.
9.5.2019
Das SGB (Städtisches Gebäudemanagement Bonn) ist hier in Bonn eine unter Handwerkern und Steuerzahlern gefürchtete Behörde, auf deren Konto so herrliche Projekte wie das WCCB, die Viktoriabrücke und die Beethovenhalle gehen - um nur die bekanntesten InSandSetzungen zu nennen. Den Kontakt mit solchen Teilen der "Öffentlichen Hand" vermeide ich ja wo es geht. Neulich gab es aber eine telefonische Anfrage, bei der ich leider von meinen Grundsätzen abgewichen bin.
An einer Schule in meiner Nachbarschaft musste ganz ganz schnell und deshalb ohne jeden bürokratischen Aufwand eine Rohrverkleidung erstellt werden, "...nur bitte kurz ein Angebot schicken und dann bis übermorgen fertigstellen, wir haben wirklich Zeitdruck!!!" - ok, bin ja kein Unmensch. Auf das Angebot gab es dann aber natürlich doch noch Änderungswünsche, aber schließlich hab ich der armen Sachbearbeiterin doch schnell wie gewünscht helfen können.
Am 23.3.2019 Rechnung gestellt, wie vereinbart per email.
Auf die Rechnung hin passierte - nichts.
Dann nach 2 Wochen ein Anruf: Eine Freistellungsbescheinigung sei vonnöten. Ist Quatsch, ist rechtlich eindeutig nicht vonnöten, erst bei Aufträgen über 5.000,- €.
Nach vier Wochen - immer noch nichts.
Nach fünf Wochen Mahnung an SGB - unzustellbar weil in Urlaub.
Mahnung an Buchhaltung - unzustellbar weil in Urlaub. Aber immerhin eine Vertreterin benannt.
Mahnung an Vertreterin - da kommt doch tatsächlich sogar eine Reaktion. Es sei gar nicht erklärlich, wieso meine Rechnung nicht schon längst beglichen sei, sie sei bereits am 2.4. eingegangen (ist klar, 9 Tage Laufzeit einer email...). Beim nächsten Zahllauf am 2.5. sei sie aber ganz bestimmt dabei!
Wieder passierte - nichts.
Dann eine mail vom SGB, eine Erweiterungsarbeit an der Verkleidung würde hiermit bestellt! Lakonische Antwort des Handwerkers: "Das SGB ist zur Zeit leider wegen Zahlungsrückstand bei uns gesperrt!". Zwei Tage später, 9.5.2019, war das Geld dann endlich da.
Und diese Menschen verbreiten dann in Zeitungsinterviews, sie könnten keine Handwerksbetriebe finden? Ist natürlich richtig! Aber die Begründungen sind falsch! Nicht "weil die Handwerker die Auftragsbücher voll haben", oder "weil die Handwerker Mondpreise nehmen"...
19.3.2019
email-Verkehr mit einer Stelle der öffentlichen Hand, es geht darum, Staubschutz für anstehende Bauarbeiten im Treppenhaus eines Museums zu errichten. Anfrage der ausschreibenden Stelle:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beabsichtige, Ihre Firma an dem folgenden Vergabeverfahren zu beteiligen:
BV Unbenannt, Bau-Tischlerarbeiten/ Eigenerklärung zur Eignung
Z1234-2019-4321, Beschränkte Ausschreibung/VOB, Geplanter Einreichungstermin: XX.YY.2019 um 11:00 Uhr
Durch § 6 Absatz 3 VOB/A bin ich gehalten, im Vorfeld Ihre Eignung in Bezug auf Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit zu prüfen. Da Ihre Firma nicht in der Liste des "Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V." (www.pq-verein.de<http://www.pq-verein.de>) aufgeführt ist, bitte ich, den beigelegten Vordruck "124 - Eigenerklärung zur Eignung" ausgefüllt zurückzusenden.
Bitte übersenden Sie den Vordruck bis spätestens zum YY.YY.2019 per Fax 0123-1234 1234 oder per Email an mail@empfaenger.de. Ohne Vorlage dieses Vordrucks ist eine Beteiligung nicht möglich. Der Versand der Unterlagen erfolgt im Anschluss. etc... "
...es folgt ein vierseitiger Fragebogen. Dazu die Ankündigung, dass wir folgendes noch beizubringen hätten:
- eine beglaubigte Erklärung eines Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers über die letzten drei Jahresumsätze
- schriftliche Bestätigung von drei verschiedenen Kunden, dass wir bereits ähnliche Projekte bei ihnen durchgeführt hätten
- Bescheinigung der Sozialversicherungen unserer Mitarbeiter, dass wir immer brav zahlen
- Bescheinigung vom Finanzamt, dass wir immer brav zahlen (Freistellungsbescheinigung)
- Bescheinigung der Berufsgenossenschaft, dass wir immer brav zahlen
... und das ist nur das, was sie schon vorab ankündigen. Im Verlauf solcher Projekte bleibt es erfahrungsgemäß nicht dabei. Wohl gemerkt: Wir sollen nicht die Beethovenhalle neu bauen, sondern nur Schutzvorrichtungen vor Beginn eines Umbaus (der durch andere erfolgen wird) installieren. Daher Antwort Schreinerei Hampel:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
recht herzlichen Dank für ihre Anfrage. Wir werden uns an Ihrer Ausschreibung aber nicht beteiligen.
Wir sind ein klassischer Handwerksbetrieb und leisten und verwalten handwerkliche Arbeit. Der regulär damit verbundene bürokratische Aufwand ist bereits erheblich. Der darüber hinaus gehende bürokratische Aufwand, den die Öffentliche Hand zur Selbst-Vergewisserung fordert, steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen und wird daher von uns verweigert. Wir haben schon mit sinnvoller Arbeit mehr als genug zu tun...
Mit freundlichen Grüßen..."
Es gibt eine Erklärung dafür, warum Projekte der Öffentlichen Hand regelmäßig eskalieren. Nur ist diese Erklärung außerhalb des Vorstellungsbereichs der Auftraggeber.
April 2018 - Lehrverträge: Online möglich!
Einen Ausbildungsvertrag abzuschließen ist ein heiliger Akt. Der Ritus ist dementsprechend aufwendig: Ein "Antrag" sowie ein mehrseitiger "Vertrag", dazu Anlagen sind in mehreren Ausführungen auszufüllen und vielfach zu unterschreiben. Dann geht das Päckchen Papier zur Kreishandwerkerschaft, die leitet es zur Handwerkskammer weiter. Nach der Registrierung dort nimmt es den gleichen Weg zurück und nach einigen Wochen haben Meister und Azubi den nun endlich gültigen Vertrag in Händen.
Jetzt vermeldet die Kammer ganz stolz: Der Abschluss von Lehrverträgen ist nunmehr online möglich! Ist das zu glauben! Ausgerechnet die Handwerkskammer! Erst vor wenigen Monaten hat sie es stolz der aufhorchenden Weltöffentlichkeit kundgetan, dass sie nun in der Lage sei, rechtsverbindlich per email zu kommunizieren - und nun gleich ein weiterer Quantensprung!
Okay, es ging auch letzlich nur um ein Quantum. Wenn ich mich durch die Seite der Handwerkskammer klicke bis zu einem neuen Portal, mich dort registriere, dann aktiviere, dann anmelde, dann freischalten lasse, dann verknüpfen lasse, nochmal ab- und wieder anmelde: dann kann ich (endlich! endlich!) meinen nächsten Lehrvertrag am Bildschirm ausfüllen. Ok, immer noch muss ich all die vielen Seiten in Papierform ausdrucken, vielfach unterschreiben, auf den Postweg (!) durch die Instanzen schicken und geduldig auf die Wiederkehr warten. Aber - hey! - online ausgefüllt - das ist doch Avantgarde!!!
Februar 2017 - BG Lohnnachweis
Zum Jahresanfang müssen die Unternehmen ihrer Unfallversicherung die Jahreslohnsumme des Vorjahres melden. Bereits seit Jahren steht dazu ein online-Verfahren zur Verfügung, das zwar etwas holperig ist, aber läuft.
Nun hat man sich ein neues Verfahren ausgedacht, welches in die regelmäßigen monatlichen Abrechnungsverfahren der Sozialkassen integriert sein soll. Also eigentlich eine Verbesserung - und das geht natürlich nicht. Das muss doch komplizierter zu machen sein! Geagt, getan - das neue Verfahren soll ab 2017 paralell zum alten Verfahren laufen, also zusätzlich! Über mindestens zwei Jahre muss ein und derselbe Meldevorgang auf zwei verschiedenen Wegen ausgeführt werden.
Für sowas fehlen einem fast die Worte. Wie stümperhaft muss man planen, um von vornherein davon auszugehen, dass es über zwei Jahre fehlerhaft laufen wird? Wie unprofessionell ist es, diese Zusatzbelastung ganz selbstverständlich auf die Betriebe abzuwälzen, anstatt eine eigene Qualitätssicherung wenigstens zu versuchen?
28.10.2016 - Ein Antrag auf Verkürzung der Ausbildung
Der "Antrag auf Verkürzung der Ausbildung", den ich für eine unserer Auszubildenden bei der Handwerkskammer gestellt habe, kommt unbearbeitet zurück. Mit einer typisch deutschen Begründung: Im Prinzip genehmigt, aber weil falsches Formular/Verfahren gewählt wurde: abgelehnt.
Sie muss nun "vorzeitig zur Prüfung gemeldet" werden, das ist bitteschön was anderes als "die Ausbildung zu verkürzen".
31.8.2016 - die monatliche Lohnabrechnung
Eigentlich keine große Sache: Die Stunden auf den Stundenzettel der Mitarbeiter addieren, mit Stundenlohn multiplizieren - fertig ist der auszuzahlende Lohn des Kollegen. Bei Empfängern von Gehalt/Ausbildungsvergütung sogar noch einfacher, das bleibt oft über Monate gleich.
Tja, wenn das so einfach wäre - nur Lohn zahlen! Gleichzeitig ist der Arbeitgeber aber auch dafür zuständig, sich um eine ganze Reihe von sehr privaten Versicherungen der Kollegen zu kümmern: Krankenversicherung, Pflege- Rente- und Arbeitslosenversicherung, nichts davon darf hierzulande ein Arbeitnehmer eigenverantwortlich verwalten. Die Firma muss dafür Sorge tragen, dass Beiträge gemeldet und entrichtet werden, obwohl dies doch alles sehr intime und persönliche Angelegenheiten der Versicherten sind. Was geht es mich als Chef an, bei welcher Versicherung die Kollegin ist, wieviele (halbe oder ganze) Kinder beim Mitarbeiter auf der Steuerkarte stehen, überhaupt welcher Anteil ihres Enkommens ihnen nach Vorsorgebedürfnis und persönlichen Steuern zur Verfügung stehen? Bin ich ihr Pappa oder warum muss ich ihnen das Kindergeld auszahlen wie Teenagern das Taschengeld? Wieso wird ausgerechnet vom Arbeitgeber diese entmündigende Bevormundung der Menschen verlangt, wieso nicht von ihren Seelsorgern, dem Dorflehrer, dem Bürgermeister oder der Hebamme, die den Menschen ins Leben gehoben hat (war ein Scherz! Wollte diesen Berufen nicht noch mehr Bürokratie aufbürden!)? Selbst den Beitrag zu seiner Religionsgruppe (Kirchensteuer) darf hierzulande kein Mensch selbst verwalten.
Das sollte heutzutage mal jemand neu einführen wollen, dass ein Außenstehender, gar der pöse Arbeitgeber, in Dinge der Gesundheit oder Religion dermaßen Einblick nimmt, das für andere verwaltet und deren Finanzen regelt - ein Aufschrei in Sachen Datenschutz würde durchs Land gellen! Aber es war schon immer so und ist deshalb gut so.
Klar muss ein Arbeitgeber für die Risiken gerade stehen, die ein Arbeitsplatz bietet - das tut er aber ohnehin, die Berufsgenossenschaft trägt er zu 100 % (obwohl die Notwendigkeit der Existenz eines Arbeitsplatzes nicht zu 100% aus dem Sehnen des Arbeitgebers begründet ist...)
So verbringen wir im Lohnbüro Monat für Monat ermüdende Stunden damit, die immer komplizierter werdenden Regeln bei den verschiedenen persönlichen Versicherungen unserer lieben Mitarbeiter anzuwenden und für sie ihre Versicherungsbeiträge, Lohn- und Kirchensteuer zu errechnen und für sie zu bezahlen.
24.8.2016 - Vorfälligkeit
Die sogenannte "Vorfälligkeit" steht an. Eigentlich müssen ja zum Monatsende die Lohnabrechnungen erstellt und daraus dann die Abgaben bezahlt werden, Lohnsteuer und Sozialversicherung.
Nun müssen aber die Kranken Kassen mit ihrem Budget so wirtschaften, dass sie sechs Wochen Deckungsreserve haben. Etwa um 2005 sah es dann jedoch mal wieder finster aus: Ende des Monats standen die monatlichen Zahlungen der Sozialkassen an, dann wäre der Topf fast leer gewesen, und die Beiträge der Arbeitgeber kämen erst nach dem Monatswechsel wieder rein: Alarm, die vorgeschriebene Deckungsreserve von sechs Wochen ist in Gefahr!
Statt echter Sanierung verfiel man nun auf einen netten Trick: Sollen die Arbeitgeber doch bitte "einfach" schon ein paar Tage vor dem Monatsende schätzen, was sie zum Monatsende an Löhnen zahlen, und die eigentlich erst dann fälligen Sozialbeiträge kurz vor dem Monatsende an die Kassen überweisen! Dann sind die nämlich glatt um einen Monatsumsatz flüssiger!
Was sich wie ein schräger Witz liest wurde dann tatsächlich in Gesetzesform gegossen. Seither dürfen alle Arbeitgeber zweimal im Monat Lohnabrechnungen machen: Eine geschätzte Lohnabrechnung um den 23. herum - jetzt bitte Sozialbeiträge vorab zahlen! Und nur eine Woche später dann die richtige Lohnabrechnung samt einer Differenzrechnung zur vorhergegangenen Schätzung. Was für ein Aufwand!
Mittlerweile ist das Defizit der Kassen nicht mehr so hart an der Grenze der Legalität wie damals, und es gibt nun schon gar keinen Grund mehr, auf der "Vorfälligkeit" zu bestehen. Aber das ist aus Sicht der Kassen noch lange kein Anlass, den Betrieben diesen Mehraufwand wieder zu erlassen. Hat man denn sowas schon mal gehört, dass Bürokratie dazu bereit sein könnte, sich selbst zu verkleinern? Einmal aufgebläht, immer aufgebläht! Andererseits ist das wiederum in seiner Art konsequent: Es war vorher schon gegen jeden gesunden Menschenverstand, das einzuführen, warum sollte man jetzt plötzlich mit dem logischen Denken anfangen? Geht garnicht.
22.8.2016 - SIAM
SIAM können wir nicht mehr entkommen. Das gesamte Team der Schreinerei (12 Menschen) muss sich einen Tag lang mit sicherheitstechnischen Unterweisungen beschäftigen. Zu jeder Maschine, zu jedem Arbeitsgang, zu jedem Werkstoff muss es einzelne, mündlich vorgetragene Einweisungen geben, die alle den exakt gleichen Inhalt haben: "Passt auf! Tut Euch nicht weh! Seid vorsichtig! Und wenn doch was passiert - geht zum Arzt!!!"
Es mag ja sein, dass es Firmen gibt, in denen es kein Sicherheitsbewusstsein bei den Vorgesetzten gibt, und in denen es den Arbeitern wumpe ist, was ihnen passiert, denn die Kasse zahlt ja. Glaubt irgendwer, mit solch formalisierten Unterweisungen, Dokumentationen und Unterschriftsaktionen könnte da etwas bewirkt werden? Bei uns hat es an praktisch keinem Punkt eine Änderung der betrieblichen Einrichtungen und Gewohnheiten gebracht: Sicherheitsbewusstsein gehört für jeden von uns zum professionellen Selbstverständnis, die Schulungen in der Ausbildung sind super und werden auch danach gewissenhaft befolgt. Also brachte uns der Tag SIAM: 8 Stunden Langeweile. Und zunehmende Verständnislosigkeit für von oben verordnete Maßnahmen in Sachen Sicherheit. Und der ausgefallene Umsatz eines Arbeitstages ist in etwa ein Monatseinkommen des Chefs, das motiviert...
4.8.2016 - ein kleiner Sieg über einen ganz ganz kleinkarierten Menschen.
Seit vielen Jahren verlangt der Fiskus, dass bei Bauleistungen über 5.000,- € dem Kunden eine "Freistellungsbescheinigung" vorgezeigt wird - die wird vom Finanzamt ausgestellt und bescheinigt, dass ich ein braver Steuerzahler bin. Die Sinnhaftigkeit sei dahingestellt: Wird einer, der steuerkriminell ist, davor zurückschrecken, dieses simple Blatt getippten Text zu fälschen, um seine Rechnung bezahlt zu kommen? Egal, ich akzeptiere diese Vorschrift und füge größeren Rechnungen auch noch diese Kopie bei.
Nun fordern aber manche Hundertfünzigprozentige in der Buchhaltung einiger Baubetriebe zu jeder Rechnung, egal welcher Höhe, diese Freistellungsbescheinigung ein. Ich weise darauf hin, dass man bitteschön doch die Kirche im Dorf lassen und nicht noch mehr Bürokratie und Papierabfall produzieren möge, selbst dem Fiskus sei das doch schon zu viel. Klappt bei manchen, aber bei diesem Buchhalter-Exemplar nicht: Er verweigerte die fristgerechte Zahlung. Nach einer scharf formulierten Mahnung war binnen zwei Tagen das Geld dann doch da. Ein kleiner Sieg.
Ja, so einen Menschen in seine Schranken zu verweisen, der als Rädchen im Getriebe versucht, seine Selbstwertgefühl höher zu schrauben, indem er über das notwendige Maß hinaus noch mehr Bürokratie (also: Belastung für andere) erzeugt, das tut erstmal gut. Aber wie hilflos und klein ist das gegenüber der Notwendigkeit, etwas Nennenswertes zu ändern? Die schwache Hoffnung, dass so eine Lusche das nun gelernt hat und beim nächsten Kunden nicht wieder macht, diese Hoffnung hab ich nicht. Zu abgehoben von der Welt der realen Dinge sind solche Bürokrater. Der wird am Abend vielleicht ein Bier mehr getrunken haben und am nächsten Morgen umso verbissener den nächsten Handwerker geärgert haben.
(Nachtrag 2021: diese Art Auseinandersetzung führe ich ein- bis zweimal im Jahr mit sturen Buchhaltern größerer Firmen. Die reagieren äußerst emotional, wenn ihnen die Widersinnigkeit, ja Ungesetzlichkeit, ihrer sturen Routinen so deutlich vorgeführt wird. Aber mein Geld habe ich schließlich immer fristgerecht bekommen. Auf einen Rechtsstreit lässt sich keiner ein.)
|
|
|