Welches Öl nehmen?
"Öl" meint im Bereich der Holzoberflächen-Veredlung keinesfalls Mineralöl oder dessen Produkte - es funktioniert schlicht nicht. Auch fast alle Speiseöle sind ungeeignet. Warum? Unser Öl muss nach dem Auftrag auf das Holz "trocknen", also durch natürliche Oxidation mit dem Luftsauerstoff verharzen können. Dieses "trocknen" meint also nicht trocknen durch Verdunstung, sondern eintrocknen durch chemische Reaktion. Und das können nur wenige natürlich vorkommenden Öle, nämlich die, welche zum größten Teil ungesättigte Fettsäuren enthalten. Unter den handelsüblichen Ölen sind dies das Leinöl (aus der Leinsaat, dem Samen des Flachs) und das chinesische Tungöl (hierzulande oft Holzöl genannt). Andere Speiseöle, wie etwa Sojaöl, enthalten in kleinen Mengen ungesättigte Fettsäuren, was zwar zu einer gewissen Eindickung führt, jedoch nicht zur richtigen Aushärtung: Das Öl bleibt abwischbar.
Leinöl geht also?
Ja. Wenn man viel, sehr viel Zeit hat, kann man Leinöl verwenden. Viel Zeit heißt: Jeder Trockenvorgang braucht viele Tage, Wochen gar. Natürliche Prozesse laufen nun mal gemächlich ab. Für die tägliche Praxis ist das nicht wirklich geeignet. Deshalb wird die Trocknung seit alters her durch verschiedene Methoden (Kochen, vortrocknen, Beimischungen) beschleunigt. So entstehen Leinölfirnis und schließlich das ganze Spektrum der handelsüblichen Hartöle, Arbeitsplattenöle, Fußbodenöle.
Von welchem Hersteller nehmen?
Aus den verschiedenen Ölen, Wachsen und Hilfsstoffen mischen nun die Farben-Hersteller ihre Rezepturen. Die Naturfarben-Hersteller verfolgen unterschiedliche Philosophien, wo genau sie sich im Spannungsfeld zwischen möglichst naturnaher Produktion und möglichst handwerkergerechter Anwendung positionieren. Sie alle unterwerfen sich der Selbstverpflichtung der Volldeklaration, sie geben also in groben Mengenverhältnissen vollständig an, was sie verarbeiten. Einer achtet vielleicht auf besonders unverfälschte Naturstoffe, nimmt dafür aber in Kauf, dass die Flächen eine Zeitlang kleben. Andere liefern perfekt handwerkergerechte Produkte, erreichen das aber dadurch, dass sie die Naturstoffe schon ziemlich stark verändern. Eine simple Regel nach der Art "Das ist der Beste" gibt es wie so oft nicht, jede/r muss sich selbst schlau machen.
Weil sie gemerkt haben, dass sich da ein Markt aufgetan hat, vetreiben auch alle konventionellen Lackhersteller mittlerweile Ölprodukte. Im Gegensatz zu den Naturfarben-Herstellern deklarieren sie nicht komplett. In ihrer Werbung taucht also immer so etwas auf wie "Mit natürlichem Leinöl!!!", "Mit duftendem Bienenwachs!!!" Nicht dagegen tauchen die ganzen chemischen Helferlein auf, die sie beimischen, um der lackverwöhnten Kundschaft das verarbeiten zu erleichtern. Wer's braucht...
Wie das Öl auftragen?
Das Auftragen des Öls geht mit Pinsel, Rolle, Lappen, nach Belieben. Bei uns in der Werkstatt sind auch Schaumstoff-Stücke beliebt (werden aus alten Schaumstoff-Matratzen geschnitten). Danach wird die Fläche mit einem nicht fluselnden Tuch abgetrocknet. Öl kann nur mit viel Aufwand (mit Lösemitteln) ausgewaschen werden. Wer die Auftragsmittel, besonders Pinsel und Rolle, trotzdem nachher wiederverwenden will, muss sie unter Luftabschluss verwahren. Also entweder in einem komplett luftdicht schließenden Gefäß oder unter Wasser. Dann besteht auch nicht mehr die Gefahr der Selbstentzündung.
Nadelhölzer
Nadelhölzer haben im Frühholz eine sehr schwammige Struktur. Hierdurch kann es vorkommen, dass auch nach drei Ölgängen noch das Frühholz matt und stumpf erscheint, während das Spätholz bereits seidig glänzt. Dann muss eben (nach entsprechender Trocknung!) ein weiteres Mal geölt werden.
Porige Harthölzer
Porige Hölzer wie Eiche, Nussbaum, aber auch Kirsche, können folgenden unerfreulichen Effekt bewirken: Einzelne Poren, feine Risse oder Fugen füllen sich mit Öl, welches später während des Trockenprozesses herausgedrückt wird. Dann bildet sich ein kleiner nasser Ring um die jeweilige Stelle, der abgewischt werden muss. Das kann unter Umständen noch passieren, wenn der Rest der Fläche bereits staubtrocken ist, also noch nach 12-24 Stunden. Solange das ausgepresste Öl noch frisch ist, lässt es sich problemlos abwischen. Wird es aber erst am nächsten Tag bemerkt, ist es zu spät und muss abgeschliffen werden. Einem Möbel in Nussbaum würde ich die abschließende Ölung morgens geben und über Tag immer mal wieder die Fläche kontrollieren, ob nichts ausgeschwitzt wird.
Auf Glanz polieren
Jede geölte oder gewachste Fläche kann nach der Trocknung noch poliert werden, um den Glanz zu verstärken oder zu egalisieren. Dazu wird mit einer Bürste oder einem abriebfesten trockenen Lappen, von Hand oder mit der Maschine, in Faserrichtung poliert. Aber Vorsicht: Polieren erhöht den Glanz, kann aber auch dazu führen, dass (besonders bei dunklen, fein gemaserten Hölzern) Unregelmäßigkeiten der Fläche stärker ins Auge fallen. Und die Anmutung der Fläche wird oft als "speckig" empfunden.
Geruch
Alle Öle riechen mehr oder weniger stark. Auch nach dem Trocknen behält das Möbel lange Zeit einen gewissen Duft, den die meisten Menschen auch als angenehm empfinden. Üblicherweise lässt dieser Duft nach Wochen und Monaten so weit nach, dass er nicht mehr wahrnehmbar ist.
Unter bestimmten Bedingungen kann aber ein eher unangenehmer, nicht nachlassender Geruch entstehen, der auch auf die in Schränken aufbewahrten Dinge übergeht: Wenn die Arbeitsgänge der
Oberflächenbehandlung schnell hintereinander erfolgen, das Möbel danach auch sofort aufgebaut und verschlossen wird, dann kann im Innenbereich eines Schrankes ein etwas ranziger, muffiger Geruch
entstehen, der auch nach Jahren (kenne einen Fall mit 15 Jahren!) noch als unangenehm wahrgenommen wird. Auch durch tage- und wochenlanges Lüften geht dieser Geruch nicht mehr weg. Die Theorie
erklärt das damit, dass unter Sauerstoffmangel zwar noch gerade eben die Aushärtung erreicht wurde, aber bestimmte Anteile des Öles in einer Nebenreaktion „aliphatische Aldehyde und Carbonsäuren“
bilden, welche so fies riechen.
Zur Vermeidung kann man folgendes tun:
1) Trockenzeiten länger als minimal nötig halten. Besonders nach der ersten Ölung, bei der am meisten Öl aufgenommen wird, lieber 2-3 Tage warten und für besonders gute Lüftung sorgen.
2) Möbelinnenseiten, Rückwände und Einlegeböden werden im allgemeinen nicht strapaziert. Deshalb müssen diese Flächen sich nicht mit Öl voll saugen. Einfaches Einölen (Methode "Standard") reicht hier
immer.
3) Alternativ zur Ölung kann im Möbel innen auch gewachst werden. Und als Grundierung verwenden wir mittlerweile unter Wachs einen "Schnellschleifgrund" auf Wasserbasis. Das ist ein
Schellack-Anstrich, nach der Trocknung ist die Fläche praktisch geruchsfrei.
Außenanwendung
Einfaches Leinöl ist nicht für außen geeignet, es ist nicht UV-beständig. Tungöl hat meines Wissens nach eine bessere Beständigkeit im Außenbereich. Draußen reicht aber so oder so eine einfache Ölung nicht aus: das Holz muss durch Pigmente vor der UV-Strahlung geschützt werden, sonst vergraut es. Bei Nadelholz ist häufig ein Bläueschutz vonnöten. Und ein Außenanstrich sollte offenes Wasser dauerhaft abperlen lassen, damit die Holzfeuchte bei Regen nicht zu abrupt ansteigt. All diese Anforderung kann eine Ölung nicht erfüllen, wir beschreiben damit das Anforderungsprofil einer Lasur.
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